Prof. Bergrat a.D. Wilhelm Schulz
Direktor des einstigen Institutes für Kohlen-, Erdöl- und Schieferbergbau
* 10.08.1880 † 30.10.1951
Vita
Wilhelm Schulz wurde am 10.08.1880 in Zwickau (Sachsen) als ältester Sohn des damaligen Direktors der dortigen Bergschule und späteren Professors der Technischen Hochschule Aachen geboren. Die Familien der Eltern stammten aus Sachsen, so daß die sächsischen Tugenden Sparsamkeit und Fleiß das Leben der Familie W. Schulz mit drei Söhnen prägten. In Aachen besuchte Wilhelm Schulz das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium. Die gute humanistische Bildung hat er sein Leben lang sehr gelobt und ihr große Bedeutung für seinen Berufsweg beigemessen.
Er studierte ab 1901 an der Universität Heidelberg, der Technischen Hochschule Aachen und der Universität Bonn. Er legte am 02.07.1904 die Bergreferendar-Prüfung, am 20.07.1906 die Diplom-Prüfung für Bergbau und am 26.06.1908 die Bergassessoren-Prüfung (2. Staatsexamen) ab.
Bereits 1909 ist W. Schulz Ski gelaufen und in St. Moritz Skeleton gefahren, ein heute fast ausgestorbener Sport, bei dem Geschwindigkeiten von 100 km/h erreicht wurden. Der Freude am Rausch der Geschwindigkeit galt diesem keineswegs ungefährlichen Sport.
Vom 17.11.1911 - 20.01.1912 war er kurzzeitig Assistent bei Prof. Geheimer Regierungsrat Dr. Borchers für Metallhüttenkunde und Lötrohrprobieren.
Im Auftrage des Bankhauses Warburg (Hamburg) leitete Wilhelm Schulz in Marokko eine Expedition zum Schürfen auf Erze. Die Expedition war vom Sultan genehmigt. Aber von allen Kadis, die für große Gebiete zuständig waren, mußten immer wieder in sehr langwierigen und durch Bestechung teuren Verhandlungen die persönliche Zustimmung erwirkt werden. Ein Kadi verlangte so nachdrücklich die Brille des sehr kurzsichtigen W. Schulz, daß er sich von der Brille, die er gerade trug, trennen mußte, in der Hoffnung, daß die Reservebrille nicht auch eines Tages von einem anderen Kadi verlangt würde. Das hätte das Ende der Expedition bedeutet. Auch die ständig anwesenden Soldaten hatten eigene Ansichten über Dauer und Ort der Aufenthalte, so daß nur wenig Zeit für den eigentlichen Schürfbetrieb zur Verfügung stand. Trotzdem wurden einige Erzlagerstätten gefunden, aber leider kein Gold. Es folgten Arbeiten als Gutachter in Rumänien und Spanien.
Am 07.10.1913 wird der Königliche Bergassessor als Hilfsarbeiter der Königlichen Bergwerksdirektion Recklinghausen zugewiesen. 1905 ist er Berginspektor an der Staatlichen Berginspektion Ibbenbüren.
Am ersten Weltkrieg nahm Wilhelm Schulz, der wegen starker Kurzsichtigkeit nicht gedient hatte, von 1917 bis 1918 bei der Pionier-Mineur-Kompanie 325 teil und erhielt das EK II und die Verwundeten-Medaille. Ihm wurde als "Anerkennung für erfolgreiche Werbetätigkeit zugunsten der achten Kriegsanleihe" eine Ausgabe von 25.000 "Ekkehard" J.V. v. Scheffel überreicht. An der Westfront lernte er auch die Schwester Hildegard Brems kennen, die er im April 1919 in Hamburg heiratete. Bei denselben Mineuren diente auch der spätere Oberbergrat Barry vom Oberbergamt in Clausthal. Bei so manchem Treffen haben alle drei witzig und vergnügt über die gemeinsame Zeit in Frankreich geplaudert.
Nach dem Kriege wird Wilhelm Schulz Bergmeister (Bergrat) an der Staatlichen Berginspektion Buer in Westfalen.
1920 wird Wilhelm Schulz auf den freien, 2. Bergbaulehrstuhl an der Bergakademie Clausthal berufen.
Im regnerischen Herbst zieht die Familie in den Oberharz. Hildegard Schulz, geb. Brems ist im sonnigen Klima Wiesbadens aufgewachsen und hat lange in Hamburg in großbürgerlichen Verhältnissen gelebt. Die Eingewöhnung in das regnerische und kalte Clausthaler Wetter mit zunächst völlig unzureichenden Wohnungen hat sie, wenn auch anfangs mit großer Mühe, gemeistert.
Trotz großer Schwierigkeiten betreibt der neue Clausthaler Professor die Einrichtung und den Ausbau des Institutes. Es gelingt ihm, ein Erdöl- und ein Wetterlabor einzurichten. Vor der Berufung von W. Schulz 1919 war geplant, die Vorlesungen über Braunkohlen- und Erzbergbau im jährlichen Wechsel mit Vorlesungen über Kali- und Erdölbergbau abzuhalten. Nach seiner Berufung am 01.09.1920 baut er das Vorlesungsangebot sehr schnell aus und liest bereits im WS 1921/22 Tiefbohrkunde einstündig und im SS 1922 Erdölbergbau. Im WS 1924/25 muß er wegen des Fortgangs von Spackeler die Vorlesung Tiefbohrkunde und Erdölbergbau zusammenziehen und im SS 1925 auf die Abhaltung verzichten. Im WS 1926/27 bietet er Tiefbohrkunde und Schürfen an und im SS 1927 Erdöl- und Schieferbergbau.
Ab SS 1928 erscheint neben der Vorlesung Erdöl- und Schieferbergbau ein Hinweis auf das Erdölforschungsinstitut. Im Vorlesungsverzeichnis beschreibt er dieses Institut wie folgt:
"Im Erdölforschungsinstitut der Bergakademie Clausthal haben die Studenten Gelegenheit, sich unter fachmännischer Leitung eingehend mit dem Studium technischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Fragen auf dem Gebiete der Erdölgewinnung und der Erdölverarbeitung zu befassen."
Die Einrichtung dieses Institutes erfolgte in Anlehnung an das französische Erdölinstitut in Straßburg, das der französische Staat nach Übernahme des Erdölfeldes und der Erdölgrube in Pechelbronn geschaffen hatte.
Da es in Deutschland nichts Gleichwertiges gab, Prof. Schulz sich aber der Bedeutung eines solchen Institutes sehr wohl bewußt war, richtete er ein Erdöllabor als Grundstock eines Forschungsinstitutes ein. Hier wurden wissenschaftliche Arbeiten, insbesondere auf dem Gebiet der Entölung von Sanden, vorgenommen.
1943 wurde in Hannover eine Abteilung des angestrebten Erdölinstitutes begründet, das heute als Institut für Erdölforschung (IfE) in Clausthal-Zellerfeld angesiedelt ist und in enger Kooperation mit der TU Clausthal arbeitet.
Wilhelm Schulz begann im SS bereits um 7.00 c.t. und las ganz selbstverständlich auch für zwei Hörer. Neben Forschung und Lehre stand eine Gutachterarbeit, die zur Zeit des Ölbooms, der von Wietze ausgehend ganz Deutschland erfaßte, eigenartige Formen annahm. Schlieren auf Wasserläufen, meist durch Eisenoxyd hervorgerufen, wurden häufig von unseriösen Fachleuten als Ölspuren ausgegeben. Ein ordnungsgemäßes Gutachten bereitete dem Traum von leichten Millionengewinnen ein schnelles Ende, mit den unterschiedlichsten, durchweg negativen Auswirkungen für Betroffene und Gutachter. Wilhelm Schulz war stets bereit, die Enttäuschten hilfsbereit auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen. In einem Fall wurde in Bayern in einem Bohrloch Fettkohle aus dem Ruhrrevier erbohrt. Neben diesen mit Humor erledigten Aufgaben gab es auch ernsthafte Arbeit für den Wissenschaftler, die in Gutachten für zwei Prozesse vor dem Reichsgericht in Leipzig einen Höhepunkt erreichte.
Menschlichkeit, Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft zeichneten Wilhelm Schulz aus. Seine Schüler und Mitarbeiter hielten ihm ein Leben lang die Treue und erinnerten sich gerne seiner Unterstützung und des Bergbaustudiums in Clausthal im Oberharz.
Im April 1945 wurde die Familie zunächst von amerikanischen und dann von britischen Soldaten aus dem Haus vertrieben. Das Militärgesetz 55 führte Personen, geordnet nach der jeweiligen Stellung in den NS-Parteiorganisationen auf, für die das Gesetz galt. Als Unterscharführer in der Reserve-SA war Wilhelm Schulz als letzter auf der langen Liste im Jahr 1945 von der Emeritierung betroffen: Verlust aller Bezüge, Sperrung der Bankkonten, Verbot, die Diensträume zu betreten usw.. Um seine Familie zu ernähren, nahm Wilhelm Schulz alsbald zunächst eine bescheidene Arbeit als Gutachter für Wetterwirtschaft im Steinkohlenbergbau auf. Im Laufe der Zeit weiteten sich die Aufgaben zu monatelangen Aufenthalten im Ruhrgebiet zur Anfertigung umfangreicher Gutachten aus. Die Wetterwirtschaft der Zeche Auguste-Viktoria wurde bis in die 70er Jahre von seinem entsprechenden Gutachten maßgeblich beeinflußt. Wilhelm Schulz sah diese Arbeit nicht so sehr als notwendig für das Überleben an, sondern ganz besonders als Gegenleistung für die seit Jahrzehnten vom Bergbau geleistete Unterstützung seines Clausthaler Institutes.
Wilhelm Schulz starb am 30.10.1951 in Burgsteinfurt.
Herbert Schulz
Ergänzung zum Beitrag über Prof. Bergrat a.D. Wilhelm Schulz
Prof. Schulz bewohnte mit seiner Familie in Clausthal ein wunderschönes Haus in der Paul-Ernst-Straße (nahe dem Chemischen Institut), in dem eine große Zahl in- und ausländischer Fachkollegen gerngesehene Gäste waren. Er besaß einen nimmermüden, wissensdürstenden Geist und ließ keine Möglichkeit aus, den Rahmen seiner Vorlesungen auszuweiten. So pflegte er gerne zu sagen: Wenn mir etwas unklar ist, so kündige ich darüber für das nächste Semester eine Vorlesung an - dann wird mir das Fragliche schnell klar. Seine Exkursionen in die unterschiedlichsten Bergbaubetriebe fanden großen Anklang sowohl bei den Studierenden als auch bei den Besuchten, die gerne aus seinen neuen Erkenntnissen Anregungen für ihre Arbeit aufnahmen. Prof. Schulz war davon überzeugt, daß sich auch in Deutschland eine bedeutende Erdölgewinnungsindustrie entwickeln könnte, und er war unbeirrbar in seinem jahrelangen Drängen für die Einrichtung eines besonderen Lehrstuhles für Tiefbohrkunde und Erdölgewinnung an der Bergakademie.
Seine Forschungsarbeiten, Vorträge und Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Erdölgewinnung fanden, angeregt durch die Erdölbergwerke Wietze und Pechelbronn, einen Schwerpunkt im Bereich der untertägigen bergmännischen Rohölgewinnung. Daneben interessierte er sich sehr für die Weiterentwicklung der schlagenden und drehenden Bohrtechniken.
Hans Carsten Runge